7 Abteikirche

Die Stationen bezeichnen Orte in Amorbach und Umgebung, die Theodor W. Adorno in seiner Kindheit gerne aufsuchte.

Die Stationen bezeichnen Orte in Amorbach und Umgebung, die Theodor W. Adorno in seiner Kindheit gerne aufsuchte.

Adorno 2

Die protestantische Kirche war ursprünglich ein Benediktinerkloster mit romanischem Ursprung. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Barockkirche umgebaut.

Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Barockkirche umgebaut. Berühmt ist ihre Barockorgel. Gebaut von 1774-1782 ist sie die größte, die in den sechs Generationen der Sulzbacher Orgelbau-Werkstatt Stumm geschaffen wurde.

Theodor Adorno, 1961, © Elisabeth Becker

„Um keinen Preis hätte es sich ausreden lassen, daß ein geheimer unterirdischer Gang von einer Höhle der Klosterruine St. Gotthard in den Amorbacher Konventsbau hinabführt. 
Der war bis zur napoleonischen Säkularisierung eine Benediktinerabtei, niedrig, außergewöhnlich lang, mit grünen Läden, angeschmiegt an die Abteikirche.“

Theodor W. Adorno, Ohne Leitbild – Parva Aesthetica – AMORBACH, Seite 20

Ehemalige Abteikirche

Wieso kommt die Abteikirche in Adornos Amorbach-Text nur ganz am Rande – eigentlich gar nicht – vor? Und warum ging Adorno achtzehn Jahre lang seinem Amorbacher Kinderfreund Berthold Bührer beharrlich aus dem Weg? Hat das eine vielleicht mit dem anderen zu tun?


Mit großem Eifer gab Berthold Bührer (1908-1996), Sohn eines Fassdauben-Fabrikanten, während der „KdF-Gruppenzeit Hitlers“ (Arno Schmidt) den Alleinunterhalter auf der Orgelbank. Nach der „Wiederherstellung der Amorbacher Barockorgel durch den Fürsten von Leininingen und die [NS-] Gauleitung Mainfranken“ oblag ihm als Kantor der Abteikirche 1936 die „festliche Vorführung“ des Instruments vor „politisch führende[n] Stellen“ der NSDAP. Anschließend führte er regelmäßig „Orgelfeiern“ durch, „namentlich auch für die KdF-Gäste“, Reisegruppen der „NS-Gemeinschaft“ „Kraft durch Freude“. Das kann man in Berichten des Würzburger Nazi-Musikkritikers Oskar Kloeffel nachlesen („Zeitschrift für Musik. Monatsschrift für eine geistige Erneuerung der deutschen Musik“, Heft 12/1936 und Heft 11/1938). 

Wenn sich Bührer in einem Brief vom 1. Februar 1968 an Adorno darüber beklagte, „ein Heer von Fremden“ werde jährlich durch die Abteikirche hindurchgeschleust, „obolusbringend!“, unterschlug er dabei seine eigene Rolle bei dieser hemmungslosen Kommerzialisierung, die zumindest vereinzelt Amorbach-Besucher durchaus irritierte. „Die berühmte Barockkirche gehört dem Fürsten von Leiningen!“ schrieb der Schriftsteller Werner Kraft 1959 an seinen Kollegen Wilhelm Lehmann). 
Es gab für Adorno Gründe genug, jeden persönlichen Kontakt zu Bührer zu meiden, der zu jenen Reaktionären zählte, gegen die er in seinem Essay Bach gegen seine Liebhaber verteidigt (1951) anschrieb: „Sie haben aus ihm einen Orgelfestspielkomponisten für wohlerhaltene Barockstädte gemacht, ein Stück Ideologie“.

Text: Reinhard Pabst


Abbildungen: kurzarchiv, abarchiv
Zitat aus: Theodor W. Adorno, Ohne Leitbild – Parva Aesthetica – AMORBACH, Seite 20
Portrait Theodor W. Adorno, © Elisabeth Becker, 1961 
Übersetzungen: Annette Allwardt
Video: Anna Tretter, Carolyn Krüger