Juni 2015 Vortrag von Alexander Müller (Architekt, München) DIE NÄCHSTEN 500 JAHRE über Architektur und Utopie, Freibadkiosk Amorbach
Heinz Linduschka, Bote vom Untermain, 8. Juni 2015: /
Alexander Müller: Die nächsten 500 Jahre
Kunst mitten im Leben – (…)
Wissenschaftlicher Vortrag im Amorbacher Freibad: Alexander Müller sprach über Utopie und Architektur.
Amorbach. Dass derzeit drei Adorno-Stipendiatinnen und Stipendiaten in Amorbach arbeiten und leben, wissen spätestens seit Freitag auch all diejenigen, die bei 35 Grad im Freibad Abkühlung suchten: Beim Kiosk hatten eröffneten Helin Alas und Maximilian Schmölz ganz publikumswirksam mit einem Paukenschlag ihr achtwöchiges Programm mit dem Titel „Home, Bilder, Sponsoren, Trommler“. Bis Ende Juli sollen – ebenfalls im Freibad – noch zahlreiche attraktive Aktionen – Performances, Workshops und Editionen – folgen.
… Das Ambiente war schon ein gewagtes Experiment für eine Präsentation mit Bildern und Filmen. Schließlich musste sich der Referent gegen die Geräusche des Badebetriebs, gegen die am Freibad vorbeiführende Straße und gegen den Bahnverkehr durchsetzen. Gleich vorweg: Trotz einiger Irritationen kann das Experiment als rundum gelungen gelten. Rund 25 Zuhörer lauschten zu Beginn dem Vortragenden und im Lauf der einstündigen Präsentation blieben immer wieder Badegäste interessiert stehen, Jugendliche unterbrachen für eine Viertelstunde ihr Badevergnügen bei hochsommerlichen Temperaturen und hörten interessiert zu, was Müller über „Utopische Architektur“ und „Utopie in der Architektur“ zu sagen und zu zeigen hatte.
Müller machte auf seiner Tour durch die Jahrhunderte Station bei gezeichneten Modellen für die „ideale Stadt“, die seit dem 15.Jahrhundert bis in die Gegenwart die Menschen fasziniert haben, ging auf den Einfluss antiker Bauten für die Phantasie späterer Jahrhunderte ein, bei der die Realisierbarkeit nie das entscheidende Kriterium war. Die Architekturentwürfe des Johann Bernhard Fischer von Erlach um 1700 beeindruckten die Zuhörer genauso wie John Soanes mutige und kreative Ideen beim Bau der Bank of England im frühen 19.Jahrhundert. Bayerns König Ludwig II. spielte in Müllers Vortrag eine zentrale Rolle als Bauherr zwischen „Utopie und Wahnsinn“, dessen Pläne die Nähe von Architektur zu Bühnenbildern ahnen lassen.
Dass oft bei solchen Plänen – beispielsweise in den Sciencefiction-Filmen des späten 20. Jahrhunderts – solche Entwürfe eher Dystopie statt Utopie sind und Zukunftsszenarien als Schreckensbilder entwerfen, verschwieg Müller nicht. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er „utopische Architektur“ für weltfremde Hirngespinste, für positive Wunschbilder oder für Horrorszenarien hält. Das konnten die Zuhörer gleich mal beim Blick auf das geheimnisvolle neue Apple-Hauptquartier im kalifornischen Cupertino testen oder auch bei Müllers Verdikt gegen die modernen Häuser im „Land der Dichter und Dämmer“, in denen man „wohnt wie in der Plastiktüte“.